Einen Lidschlag später explodierte der Saal! Ohne Vorwarnung feuerten LOST HORIZON, die sich auch diesmal wieder rituelle Kampfbemalungen zugelegt hatten, mit “Pure” eine gepfefferte Metal-Startladung in die rasende Meute, die mit ekstatischen Sprüngen im Rhythmus mittobte und ebenso rhythmisch mir den Sauerstoff aus meinen Lungen quetschte! Mit einem Satz er- schien Daniel über mir, völlig eingekränzt von unzähligen, greifenden Armen und so nah, dass der Luftzug seines schwingenden Umhangs meinen Schopf streifte, und gab uns einen seiner ein- drucksvollen Schreie zum Gruße! Einfach unglaublich! ..............................................

LOST HORIZON - 25.04.2003 - Göteborg/Schweden “Musikens Hus”

Sehr wenige Bands dieses Universums sind es wirklich wert, Länder und Meere für sie zu über- queren und Tausende von Kilometern hinter sich zu lassen, nur um bei einem ihrer Live-Auftritte hautnah dabei zu sein. Und in diesem Fall ließ sich sogar Luftfeind Michael trotz panischer Flug- angst todesmutig in den Ryanair-Flieger sperren, der uns entweder gehorsam in die Heimatstadt unserer Metalgötter oder uns in unser ganz eigenes Walhalla befördern würde! Sei’s drum! Die Live-Power dieser Warriors, die wir diesmal in Göteborg zum Geburtstag von Band-Genius Woj- tek Lisicki genießen würden, wäre es alle Male wert, um für sie zu sterben: LOST HORIZON !

Wir ahnten, dass das “Musikens Hus” mit einem Fassungsvermögen von etwa 500 üblicherweise recht jungen LOST HORIZON-Maniacs ziemlich voll werden würde und waren daher schon früh am Abend vor Ort, denn wir wollten außerdem Geburtstagsmetaller Wojtek einen kleinen Prä- sentkorb überreichen. Durch die unverschlossene Hintertüre schlüpften wir ins Gebäude und folg- ten mit freudig klopfendem Herzen den fantastischen und mit jedem Schritt gigantischer werden- den LOST HORIZON-Schallwellen. Unsere Lieblings-Heroes machten gerade Soundcheck! Plötz- lich brach die Musik ab, und schleunigst brachten wir unsere heruntergeklappten Unterkiefer wieder in Position, nahmen die letzte Türe in Angriff und stürmten, den Korb voran,  in die Halle! Wir hatten mit Vielem gerechnet, aber der Anblick eines so voller ehrlicher Freude strahlenden Wojtek-Gesichtes - gelöst und frei von jeglicher Kampfbemalung - kann einen schon irgendwie von den Socken hauen! Der Korb wurde herumgezeigt und herumgetragen. “Wie in dem deut- schen Märchen von dem Mädchen mit dem roten Käppchen!” lachte Wojtek, und seine Augen blitzten schalkhaft. Während der letzten Soundprobe - eine so bombastische “Lost In The Depths Of Me”-Darbietung, dass es uns heiß und kalt den Rücken runterlief - ruhte der Korb zu Wojteks Füßen, dann nahm er ihn - und uns! - in den heiligen Backstage-Bereich! So kam es, dass wir weder für die Vorgruppe NOSTRADAMEUS, noch für die “Promi”-Konzertbesucher Stefan Elm- gren, Oscar Dronjak und Magnus Rosén irgendwelche Augen oder Ohren übrig hatten...

Irgendwann war es für uns langsam Zeit, in den Veranstaltungssaal zurückzukehren. Ich er- kämpfte mir einen Platz direkt vor dem dunklen Vorhang, der nach dem Abdanken von NOSTRA- DAMEUS die Bühne wieder vor den Augen der Zuschauer verbarg. Wenn meine Peilung richtig war, würde ich in wenigen Minuten entweder frontal “meinem” Sangesgott Daniel Heiman gegen- überstehen, oder Wojteks Gitarre würde direkt über mir schweben! Endlich! Die Hallenbeleuch- tung erlosch, und  fast schon automatisch reihte sich meine Stimme in das um mich herum losbrechende Gejohle ein. Verheißungsvolle Trommelsalven antworteten aus dem verhüllten Teil des Raumes! Im Wechselspiel dazu neckten winzige Gitarrenlicks aus der Dunkelheit und forder- ten die Anwesenden zu noch lauteren  “Hey! Hey! Hey!”-Kaskaden auf! Plötzlich erfüllten futuris- tisch-sphärische Klänge den Saal - das Intro zu LOST HORIZONs aktueller  “A Flame To The Ground Beneath”-CD kündigte den Auftakt eines großen Ereignisses an! Beifallsstürme brausten auf, giftgrünes Leuchten sprühte durch einen kleinen, dreieckigen Schnitt im Vorhang, dann hat- ten die ausdauernden “LOST HO-RI-ZON!”-Beschwörungen der aufgewühlten Besucherschaft Er- folg, und auseinanderklaffende Stoffe gaben ein immer größer werdendes Sichtfenster frei!.Da waren sie: LOST HORIZON! ........................................................

Edel wie Marmorstatuen, die entblößten Rücken dem Publikum zugewandt, verharrten fünf Krie- ger bewegungslos in einem überirdischen Gemisch aus diffusen Lichtstrahlen und waberndem Nebel. Einzig Frontfighter Daniel, wie von ungebändigter Macht überschäumend, schritt wie ein sprungbereiter Tiger mit wehenden, blauen Magier-Umhang unruhig auf und ab, als wäre die to- sende Welt auf der etwa 1,20 m tieferen Ebene für ihn nicht erreichbar - NOCH nicht...!